Fachartikel

Glasfaserausbau eröffnet Wachstumschancen

Der Glasfaserausbau bietet Energieversorgern Wachstumschancen und attraktive Möglichkeiten, sich als moderner Infrastrukturdienstleister einer Kommune zu positionieren. Dazu trägt neben dem bereits erfolgreich etablierten Weiße-Flecken-Programm auch das neue Förderprogramm für »graue Flecken« bei, denn damit sind deutlich mehr Gebiete förderfähig. Entscheidend ist jedoch, dass die Unternehmen eine klare Strategie für dieses neue Geschäftsfeld entwickeln und auch die eigene Organisation entsprechend anpassen.

Bild 1: emb-Referenzprozessmodell für das Geschäftsfeld Telekommunikation

In der Öffentlichkeit eher unbeachtet, markierte der 26. April 2021 einen neuen Meilenstein für die Digitalisierung in Deutschland. »Ab sofort können wir den Glasfaserausbau für weitere 2,8 Mio. Anschlüsse fördern, bei denen kein privatwirtschaftlicher Ausbau stattfindet«, so Bundesminister Andreas Scheuer: »Mit unserem Förderprogramm für sogenannte Graue Flecken gehen wir einen weiteren großen Schritt in Richtung flächendeckend Gigabit bis 2025.« Tatsächlich ist es dem Gesetzgeber innerhalb relativ kurzer Zeit gelungen, ohne störende Nebengeräusche und mit einer hohen Effektivität europarechtskonforme Fördermodelle zu entwickeln, die durch die Anhebung der Aufgreifschwelle bei der Bandbreitenverfügbarkeit deutlich mehr Städten, Gemeinden und ihren kommunalen Versorgern attraktive Zukunftschancen bieten. Die Rahmenregelung zur Unterstützung des flächendeckenden Aufbaus von Gigabitnetzen wurde am 13. November 2020 durch die Europäische Kommission geprüft und genehmigt sowie am 12. Februar 2021 veröffentlicht.

Erweiterter Förderrahmen

Förderfähig sind nunmehr auch (in Erweiterung des erfolgreich etablierten Weiße-Flecken-Programms) Adresspunkte mit Internetanschlüssen, die derzeit eine Versorgung mit Downloadgeschwindigkeiten von bis zu 99 Mbit/s (hellgraue Flecken) beziehungsweise bis zu 1 000 Mbit/s (dunkelgraue Flecken) zulassen und in denen in den nächsten drei Jahren kein privatwirtschaftlicher Ausbau geplant ist. Die Förderung soll dabei ressourcenschonend erfolgen und ausdrücklich nicht über das zur Zielerreichung erforderliche Maß hinausgehen. Wenn betroffene Kommunen seit Ende April 2021 Förderanträge stellen können, bedeutet dies einen deutlichen Digitalisierungs- und Innovationsschub für die jeweiligen Regionen. Während das Weiße-Flecken-Programm eher den Ansatz verfolgte, akut unterversorgte ländliche Gebiete zu erschließen, sind nunmehr auch Gebiete förderfähig, die eine Stadtnähe aufweisen.

Der gewährte Zuschuss (maximal 150 Mio. € je Antragsprojekt) kann zum Schließen einer Wirtschaftlichkeitslücke (Kosten des Netzausbaus und -betriebs abzüglich der Einnahmen aus Diensten und Vorleistungsprodukten) verwendet werden oder in einem Betreibermodell die Errichtung der passiven Infrastruktur fördern – beispielsweise die Ausstattung von Leerrohren mit unbeschalteter Glasfaser, die Ausführung von Tiefbauleistungen oder die Mitverlegung von Leerrohren bei anderweitig geplanten Erdarbeiten.

Hier sind eine sorgfältige Planung und strategisches Handeln gefragt. Kommunen und Gemeinden sind ebenso wie Stadtwerke, die in diesem Bereich tätig werden wollen, gut beraten, die Markt- und Förderbedingungen zu sondieren und objektiv zu prüfen. Das umfasst auch eine ehrliche Bestandsaufnahme der eigenen Aufbau- und Ablauforganisation – einschließlich der bestehenden IT-Infrastruktur und eines wirksamen bereichsübergreifenden Controllings.

Von zentraler Bedeutung ist es dabei, sorgfältig zwischen den beiden grundsätzlichen Lösungsansätzen Wirtschaftlichkeitslückenförderungen oder Förderungen im Betreibermodell) abzuwägen und daraus eine tragfähige individuelle Gesamtstrategie zu entwickeln.

Wie anspruchsvoll das ist, zeigt ein Blick in das komplexe EU-Förder- und Beihilfenrecht. Es zahlt sich daher doppelt aus, gezielt externe Fachleute einzubinden. Die Zusammenarbeit mit branchenerfahrenen Beratungsgesellschaften bringt nicht nur Licht in den Regelungsdschungel, sondern entlastet auch das eigene Management bei der Entscheidungsfindung. Die Unterstützung – sowohl für Städte und Gemeinden als auch für kommunale Versorgungsbetriebe – reicht dabei von der Projektinitiierung und -begleitung über die detaillierte Analyse der Wirtschaftlichkeitslücke bis zur systematischen Steuerung von Projekten, die auf Basis einer Bundes- oder Landesförderung umgesetzt werden.

Aus den Weißen- und Grauen-Flecken- Programmen ergibt sich ein massives Wachstumspotenzial, um die sinkenden Margen im Strom- und Gasgeschäft auszugleichen, Kunden auch weiterhin erfolgreich zu binden und neue Geschäftsfelder zu erschließen. Regionalen Energieversorgern eröffnet sich durch Digitalisierung und Glasfaserausbau die Chance, sich zu kommunalen Infrastrukturdienstleistern zu entwickeln – auch in Abgrenzung zur steigenden Marktmacht der hochdigitalisierten und auf ein effektives Massengeschäft fokussierten Konkurrenz.

Klare Strategie ist entscheidend

Für Energieversorger gilt es nun, zunächst die zentralen strategischen Aspekte abzuwägen. Basis dafür ist die Sichtung der aktuellen Wettbewerbssituation: Welche Marktteilnehmer sind im Netzgebiet als Infrastrukturanbieter für Telekommunikationsdienste aktiv? Welche Technologien werden von ihnen eingesetzt? Welche Diensteanbieter haben sich in der Region etabliert? Vor allem im Fall schon vorhandener, leistungsstarker Überbauungen sollten offen die Fragen nach den eigenen Vertriebschancen und den sinnvollen Ausbauoptionen gestellt werden. Hierbei sind die sich direkt aus dem Förderprogramm ergebenden Implikationen zu beachten: Soll ein möglicher Ausbau im Rahmen des Betreiber- oder Wirtschaftlichkeitslückenmodells erfolgen?

Ökonomisch betrachtet liegen die Vorteile des Glasfaserausbaus auf der Hand: Die Förderprogramme verbessern wesentlich die eigene Position am Markt – sowohl in Hinblick auf eine konkurrenz- und zukunftsfähige Infrastruktur als auch in der Wahrnehmung bei Kunden und Interessenten als moderne, regional verwurzelte und nachhaltig engagierte Energiedienstleister.

Welche Technologie die passende ist, wird von vielen Faktoren beeinflusst, unter anderem von den konkreten Förderrichtlinien und den individuellen Wachstumsperspektiven. Selbst wenn die überwiegende Zahl der Internetnutzer gegenwärtig mit einer flächendeckenden Bandbreite von 50 Mbit/s zufrieden sind, sollte die langfristige Planung von strategischer Weitsicht getragen sein. Gerade der durch Corona ausgelöste Digitalisierungsschub hat gezeigt, wie rasant die persönlichen und gesellschaftlichen Ansprüche innerhalb weniger Monate steigen können – bei Homeschooling, Streaming-Diensten, Online-Shopping, Smart-Home-Anwendungen, Elektromobilität, autonomem Fahren oder weiteren, künftig Flecken-Programm ebnet den Weg für ein »Turbo-Internet für alle«.

Darüber hinaus bietet die Glasfaser zusätzliche Mehrwerte. Sie ist störungsfrei und witterungsbeständig, hat eine große Interoperabilität und ermöglicht im Vergleich zur Kupfertechnologie eine bedeutend höhere und vor allem konstante Datentransferrate.

Durch den Breitbandausbau stellen Energieversorger die Weichen für die Zukunft: Sehen sie sich perspektivisch eher als Netzbetreiber und/oder kommunale Infrastrukturdienstleister? Mit welchen Partnern lassen sich die Herausforderungen beim Umbau der eigenen Prozesslandschaft erfolgreich stemmen?

Unternehmensorganisation neu aufstellen

Nach erfolgreicher Strategiebewertung geht es an die Strategieimplementierung: Was ist prozessual und organisatorisch vorzubereiten und zu beachten?

Wesentliche Elemente sind dabei der Aufbau und die Gestaltung einer erweiterten unternehmensinternen Prozesslandschaft. Ausgehend von den Methodiken des Business Process Management (BPM) hat die Energiemarkt Beratungsgesellschaft mbH ein Referenzprozessmodell für die Telekommunikation entwickelt (Bild 1). Sowohl im Vertriebs- als auch im Netzbereich entstehen neue Wertschöpfungsketten und regulatorische Anforderungen, die prozessual sichergestellt werden müssen – unter anderem im Produkt- und Vertragsmanagement, bei der Netzbereitstellung und -dokumentation, im Berichtswesen und Controlling. Zugleich muss zum Beispiel aber auch der für Energieversorger gänzlich neue Prozess der Anschaltung und Portierung strukturell verankert werden. Angesichts ihrer hohen Expertise im Bereich der Infrastruktur (von der Planung über den Bau bis zum Betrieb) sind Energieversorgern diese Prozesse vertraut, und sie können auf ihr vorhandenes Know-how zurückgreifen.

Zur Entwicklung der passenden Vertriebs-, Produkt- und Marketingstrategie und der Sicherstellung ihrer Umsetzung gehört es auch, die eigene Organisation auf das neue Geschäftsfeld vorzubereiten und die Mitarbeiter im Idealfall als begeisterte Fürsprecher mit ins Boot zu holen. Ein frühzeitiges, konsequentes Change Management baut Berührungsängste ab und schafft über eine ehrliche interne Kommunikation eine möglichst breite Akzeptanz. Bei der strategischen Umsetzung sollten neben einer erweiterten Ressourcen- und Kapazitätsplanung auch die möglichen Auswirkungen einer höheren Kundensensitivität nicht vergessen werden, zum Beispiel durch ein größeres Beschwerdeaufkommen, falls die Internetdienste einmal ausfallen.

Neue IT-Systemlandschaft muss Marktentwicklungen antizipieren

All das funktioniert nur mit einer modernen IT, die das neue Geschäftsfeld mit seinen beschriebenen strategischen, prozessualen und organisatorischen Herausforderungen abbildet. Marktkonformität (zum Beispiel im Smart Metering) und ein hoher Automatisierungsgrad allein reichen hier nicht mehr aus. Es müssen auch die komplexen Spezifika des Telekommunikationssektors berücksichtigt werden. Beispiele hierfür sind neue Abrechnungsprozesse und -voraussetzungen, die Kostenstellen- und Auftragsstruktur des Breitbandgeschäfts, ein effektives Interessenten- und Kundenbeziehungsmanagement oder die erforderliche GIS-Einbindung.

So entsteht eine neue Systemlandschaft, auf die Energieversorger einerseits durch ihre Erfahrung auf netztechnischer Seite gut vorbereitet sind, wo ihnen andererseits aber auch ein Höchstmaß an Flexibilität, Lernbereitschaft und Innovationsfreude abverlangt wird. Darüber hinaus sind bei der IT-technischen Ausrichtung Marktentwicklungen zu antizipieren und vorzubereiten. So entwickelt sich zum Beispiel der Markt der Telekommunikation seit geraumer Zeit mehr und mehr hin zu einem marktkommunikationsorientierten Informations- und Datenaustausch, so wie es der Strom- und Gasmarkt seit der Liberalisierung oder der Einführung der GPKE- und GeLi-Regelungen bereits abbildet.

Durch die gezielte Einbindung leistungsstarker externer Partner lassen sich die Chancen des Graue-Flecken-Programms optimal nutzen. Beratungsgesellschaften können hier bedarfsgerecht und pragmatisch auf verschiedenen Ebenen unterstützen: durch ihre langjährige Expertise mit Förderprogrammen und marktkonformen Prozessabwicklungen, im Projektmanagement, bei Ausbau und Etablierung der notwendigen Prozessstrukturen oder im Rahmen der Vorbereitung und Begleitung der Organisation auf das neue Geschäftsfeld.

Ansprechpartner zum Breitbandausbau sind Norbert Thewes und Daniel Knipprath.

Pressekontakt
Dr. Schäfer PR- und Strategieberatung
Dr. Anke Schäfer
Arno-Esch-Str. 1
18055 Rostock
Telefon: +49 381 666 58 58
E-Mail: info(at)dr-schaefer-pr.de

(Der Bericht ist erschienen im "ew Magazin für die Energiewirtschaft", Ausgabe 7-8 | 2021 im Juli 2021.)