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Demnächst weitere Fördermittel für Breitbandausbau verfügbar

Für den Ausbau der Breitbandnetze werden demnächst weitere Fördermittel verfügbar sein. Stadtwerke und Versorger können profitieren. Die flächendeckende Verfügbarkeit von schnellem Internet ist eine der zentralen Voraussetzungen für die digitalen Zukunftsmodelle der Versorgungswirtschaft und der Kommunen. Doch nach aktuellen Erhebungen des Verbandes der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten e.V. fehlt es fast noch der Hälfte aller bundesdeutschen Haushalte (genau 43,2 Prozent) an einem gigabitfähigen Internetzugang.

Ein neues Förderprogramm des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) soll nun für Abhilfe sorgen. Hintergrund ist ein Kompromiss der Bundesregierung und der EU-Kommission aus dem vergangenen Sommer. „Während sich bis 2020 nur akut unterversorgte ‚weiße Flecken‘ für die Bundes- und Landesfördermittel qualifizierten, rücken nun die sogenannten ‚grauen Flecken‘ in den Fokus“, erläutert Norbert Thewes, Geschäftsführer der EnergieMarkt Beratungsgesellschaft mbH (emb), die sich unter anderem auf die Planung und Durchführung von Breitbandprojekten für Kommunen und Versorger spezialisiert hat. Diese „grauen Flecken“ sind Adresspunkte mit Internetanschlüssen, für die lediglich eine Versorgung mit Downloadgeschwindigkeiten von bis zu 100 MBit/s (ab 01.01.2023 bis zu 1.000 MBit/s) vorhanden ist und in denen in den nächsten drei Jahren auch kein privatwirtschaftlicher Ausbau geplant ist. „Für Kommunen und Versorger, die hier aktiv werden wollen, eröffnen sich attraktive Zukunftschancen“, ist der Berater überzeugt. „Durch die Anhebung der maximalen Förderhöhe auf 150 Mio. EUR wird deutlich, wie groß der Bedarf für die flächige Erschließung eingeschätzt wird.“

Die Beihilfe umfasst sowohl Wirtschaftlichkeitslückenförderungen für Investitionen als auch Förderungen im Betreibermodell – etwa über die Ausstattung von Leerrohren, die Ausführung von Tiefbauleistungen oder die Mitverlegung von Leerrohren bei anderweitig geplanten Erdarbeiten. Empfänger der Beihilfe sind die Gemeinden, als Begünstigte gelten die Betreiber oder unter bestimmten Voraussetzungen auch die Anbieter der Breitbandnetze.

Förderfähigkeit

Grundsätzlich, so Norbert Thewes, ähneln die Förderbedingungen dem Rechtsrahmen der Breitbandförderung für die sogenannten „weißen Flecken“. Neu sei allerdings eine Anhebung der Aufgreifschwelle: Dafür darf in dem jeweiligen Gebiet kein Netz vorhanden sein, das Haushalten eine Datenrate von mindestens 100 Mbit/s zuverlässig zur Verfügung stellt. Ab 1. Januar 2023 sind auch Ausbaumaßnahmen in Gebieten mit weniger als 1.000 Mbit/s förderfähig. Ziel ist die vollständige technische Abdeckung des Zielgebietes bis Ende 2025.

Von der Förderung ausgeschlossen sind die sogenannten ‚schwarzen Flecken‘ mit bereits zwei NGA(Next Generation Access)-Netzen und Gebiete, in denen die vorhandene oder innerhalb der nächsten drei Jahre geplante Telekommunikationsinfrastruktur den Endkunden eine Datenrate von mehr als 500 Mbit/s zuverlässig im Download zur Verfügung stellen kann. Sozio-ökonomische Schwerpunkte könnten auch dann erschlossen werden, wenn das vorhandene oder auf die nächsten drei Jahre geplante NGA-Netz eine Datenrate von weniger als 200 Mbit/s symmetrisch zuverlässig zur Verfügung stellt.

Weiterhin gilt ein Vorrang des privatwirtschaftlichen Ausbaus. Diese Investitionsschutzklausel besagt, dass es in dem jeweiligen Gebiet nicht zu erwarten sein darf, dass ein äquivalentes Netz innerhalb einer sogenannten Investitionsschutzperiode – nach dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers drei Jahre – entsprechend marktwirtschaftlich  ausgebaut wird. „Davon betroffen ist zum Beispiel der Überbau der bisherigen Anbindung mit Glasfaserkabeln bis zu den jeweiligen Gebäuden, etwa durch Vectoring-Nachrüstungen“, erklärt Thewes.

Er verweist darauf, dass die Abgrenzung des Projektgebietes vor Antragstellung über ein Markterkundungsverfahren erfolgen muss. Thewes geht davon aus, dass man speziell in den Gebieten, die lokal FttC (Fibre to the curb) ausgebaut haben, für die weitere FttH/-B-Erschließung (Fibre to the home/ to the building) auf die neuen Fördermöglichkeiten zurückgreifen wird.

Ausbaubedingungen

Sofern die Maßnahme förderfähig ist, bedarf es zunächst eines wettbewerblichen EU-weiten Ausschreibungsverfahrens unter Bekanntmachung auf  Breitbandausschreibungen.de. „Zugleich muss die geplante Investition zu einer wesentlichen Verbesserung der Breitbandversorgung führen. Diese liegt im Sinne einer ‚step change‘ dann vor, wenn der ausgewählte Bieter erhebliche neue Investitionen in das Breitbandnetz tätigt und die geförderte Infrastruktur auf dem Markt erheblich neue Möglichkeiten in den Bereichen Breitbandversorgung, Wettbewerb und Bandbreiten (mindestens 1 Gigabit/s) schafft“, informiert Norbert Thewes. Zudem ist die Förderung zwingend mit der Gewährleistung eines offenen und diskriminierungsfähigen Zugangs auf physischer Ebene verknüpft. „Die Einhaltung dieser Bedingung wird durch die Bundesnetzagentur überprüft“, so der Berater.

Die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen unterliegen gemäß der EU-Breitbandleitlinie einer umfangreichen Berichterstattung.

Strategisch planen

„Die Richtlinie zum Gigabit-Förderprogramm wird voraussichtlich in den nächsten Wochen verabschiedet“, sagt emb-Geschäftsführer Thewes, und empfiehlt Städten, Gemeinden und kommunalen Versorgern, idealerweise schon vor ihrem offiziellen Inkrafttreten aktiv zu werden. Konkret gelte es, die Markt- und Förderbedingungen zu sondieren, eine sorgfältige Abwägung zwischen den beiden grundsätzlichen Lösungsansätzen Wirtschaftlichkeitslückenförderungen oder Förderungen im Betreibermodell vorzunehmen und daraus eine tragfähige Gesamtstrategie zu entwickeln. „Das betrifft zum Beispiel die Identifizierung der vorhandenen Infrastruktur, eine Bestandsaufnahme der bestehenden Aufbau- und Ablauforganisation – inklusive IT-Infrastruktur und bereichsübergreifendes Controlling – sowie die Konzeption einer individuellen Zukunftsstrategie, um neue Geschäftsfelder zu erschließen“, so Thewes.

Er rät Gemeinden und Versorgern, die aktuelle Situation zu prüfen und sich frühzeitig in diesem hart umkämpften Wettbewerbsumfeld zu positionieren. Dabei solle man den perspektivischen Bedarf als Maßstab anlegen. „Gerade die Corona-Pandemie zeigt wie in einem Brennglas, wie schnell sich die Anforderungen an eine effektive Digitalisierung aller Lebensbereiche erhöhen.“ Die Einbindung externer Expertise sei hier nicht nur angesichts der komplexen Bestimmungen im europäischen Förderrecht ratsam. Sie entlaste zudem das eigene Management auch bei der juristischen, planerischen und technologischen Vorbereitung des Entscheidungsprozesses.

In einer ganzheitlichen Betrachtung könne das Graue-Flecken-Programm dann tatsächlich zum Innovationstreiber werden. (pq)

(Der Bericht ist erschienen im "50,2 Magazin | 03.2021" auf Seite 14/15.)